Aktuell scheint es uns und auch der Popkultur schwer zu fallen, futuristische Szenarien zu entwerfen, die nicht „apokalyptisch“ inspiriert sind. Wo man auch hinsieht, sind Vorstellungen der Zukunft düster geprägt. Doch liegt es vielleicht daran, dass die Zukunft uns eingeholt hat und wir uns von der klassischen Vision trennen müssen? Schauen wir doch einmal dahin wo komplett neu gedacht und nicht nur iteriert wird.
Ready Player One, Interstellar, Altered Carbon und all die anderen großen Science Fiction Erfolge der letzten Jahre gehen davon aus, dass die Zukunft grau und trist für die große Masse aussieht; dass wir das, was jetzt bereits in den Städten steht, nur herunterwirtschaften und mit Neon ausleuchten werden. Und in Zeiten von Klimawandel und anderen Zerwürfnissen ist es leicht, sich solchen Dystopien hinzugeben, denn im Verhältnis ist es ungleich schwerer sich vorzustellen, was besser als der Status Quo wäre. Wir sind wohl alle ein bisschen desillusioniert.
Was Hoffnung und neue Visionen gibt, sind Entwicklungen wie Culdesac oder die Toyota Smart City.
Am Fuße des Mt. Fuji will Toyota die sogenannte Woven City, verwobene Stadt, für Technologieforschung errichten. Angekündigt auf der CES 2020, soll der Bau 2021 starten.
Das erklärte Ziel ist, die Idee Stadt und Gemeinschaft komplett neu zu denken. Der Aufbau traditioneller Städte fokussiert sich auf die Mobilität per Automobil durch ein dichtes Straßennetz. Doch in Zeiten aufkommender autonomer Transporter, Drohnen und konstanter Vernetzung wirken unserer Straßenzüge veraltet. Dass wir versuchen neue Technologien auf dieses veraltete System zu trainieren, legt der Technologieentwicklung mehr Steine in den Weg, als es Lösungen schafft. Daher wird die Woven City so ausgelegt sein, dass von Anfang an Mobilitätsforschung im Vordergrund steht. Fußgänger, individuelle Mobilitätslösungen und autonome Fahrzeuge bekommen ihre jeweils eigenen Wege, Versorgungsanlieferungen sollen sogar komplett unter Tage durchgeführt werden, um den Alltag nicht zu stören und Abgase gezielt ableiten zu können. Gebäude dienen in der Woven City derweil sowohl als Wohn-, wie auch Arbeits- und Entspannungsbereich und führen damit aktuelle Trends wie Co-Working und Co-Living zusammen.
Bisher existiert die Woven City nur als Konzept, wie sie in der Realität aussehen wird, wird sich in zwei Jahren zeigen.
Etwas früher, genauer gesagt ein Jahr früher, wird die erste Gemeindes des Start-ups Culdesac in Tempe, Arizona, aus der Taufe gehoben.
Culdesac, französisch für Sackgasse, ist ein Städtebau-Start-up, dass es sich zur Aufgabe gesetzt hat autofreie Städte zu entwickeln. Die Inspiration dazu liefert der Aufbau klassischer nordamerikanischer Großstädte. Laut der Culdesac Satzung sind in autozentrierten Städten 50% der Stadtfläche mit Asphalt bedeckt, der nur zum Fahren und Parken dient. Dass diese Menge an Asphalt nicht zukunftsgerichtet ist, zeigt eine Entwicklung, die wir in Deutschland noch nicht spüren. 1983 hatten 46% der 16-jährigen US-Amerikaner ihren Führerschein, heute sind es nur noch 24%. In Deutschland wird zwar auch vom sinkenden Interesse am Führerschein gesprochen, Statistiken belegen bisher aber nur eine sinkende Gesamtzahl junger Deutscher, geschuldet dem demografischen Wandel, wobei die Quote der Führerscheinabsolventen konstant bei 80% ( der < 25-jährigen) bleibt. Weniger Menschen, die selbst fahren wollen und auf alternative Beförderung umsteigen, desto weniger Asphalt wird benötigt.
Im Gegensatz zu Toyotas Woven City, die sich auf Forschung und Prototypenentwicklung fokussiert, konzentrieren sich Culdesacs Bemühungen darauf ein alternatives Stadtmodell für Morgen zu entwickeln. Statt designierte Shoppingzentren zu bauen, werden Einkaufsmöglichkeiten dezentral durch die Gemeinde gestreut, dass jeder Einwohner gleich lange Wege für die täglichen Besorgungen zurücklegen muss. Dazu kommen Servicemodelle wie Same-Day-Delivery, eine eigene Rideshare-Flotte am Rande der Gemeinde und eines der wahrscheinlich wichtigsten Versprechen: Ein eigener Bahnhof. So sei ein ständiger Pendelverkehr nach Downtown möglich. Anders wäre eine Stadt die komplett auf private Autos verzichten will auch nicht realisierbar.
In der Woven City und dem Start-up Culdesac vereinen sich die Trends Urbanisierung und Neo-Ökologie. In einer Stadt zusammenzukommen und als Gemeinschaft nach höheren ökologischen Idealen zu streben, indem sich alle den neuen Regeln und Einschränkungen unterwerfen ist zudem einer der stärksten Ausdrücke des Mikrotrends We-Society, der mit zum Megatrend Individualisierung gehört, der heute zu beobachten ist.
Zusammenfassung: Auch wenn wir als große Gemeinschaft aktuell Probleme haben die Zukunft nicht in grauer Dystopie zu sehen, gibt es diverse Bestrebungen, ganz neue Visionen für ein Stadtbild von morgen zu entwerfen. Dafür steht an erster Stelle das komplette Überdenken der Art, wie unsere Städte aktuell aufgebaut sind und welche Anforderungen sie in Zukunft erfüllen sollten. Mithilfe von Konzepten wie der Woven City von Toyota, oder Culdesac in den USA, wird es uns möglich sein, neue Technologien unabhängig der Einschränkungen klassischer Städte zu entwickeln und damit ganz neue Innovationen anzustoßen.
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