Wirft man einen Blick auf den Entertainment-Markt, hat man das Gefühl, dass es klassisches, analoges, Spielzeug gar nicht mehr geben würde. Natürlich trotzen Marken wie Lego und Playmobil da jeder Unwägbarkeit, doch man kann sich dieses Gefühls nicht erwehren, dass Spielzeug ganz ohne Elektronik heutzutage immer mehr zur Nischenerscheinung wird. Schließlich sind zum Ende des Trends hin auch Fidget Spinner mit Bluetooth Verbindung auf den Markt gekommen.
Als die große Bedrohung ist seit Jahrzehnten die Anziehungskraft des flimmernden Monitors zu nennen. War es früher der Fernseher und die heimische Konsole, hat sich natürlich auch das Smartphone in den letzten Jahren einen Platz unter den Konkurrenten zur analogen Unterhaltung gesichert. Und während es über Videospiele immer mehr seriöse Berichterstattung gibt, fällt der Blick immer seltener auf die analoge Unterhaltung.
Doch gerade diese erfährt dieser Tage eine unerwartete Renaissance.
Wired hat erst in der letzten Woche einen hervorragenden Artikel über Timm Woods online gestellt, einen professionellen Pen&Paper Meister, der ein gutes Bild davon zeichnet, wie das generelle Interesse an Brettspielen wieder aufkommt. So konnte Woods seine frühere Leidenschaft zum Beruf machen und leitet nun jede Woche 9 Gruppen durch seine selbst erstellten Abenteuer, für die er gutes Geld nimmt (bis zu 350€ je Sitzung).
Die Pen & Paper Szene hat vor allem durch nostalgisch inspirierte Kulturphänomene wie „Stranger Things“ von Netflix erhöhte Aufmerksamkeit erfahren und kommt mit Titeln wie Dungeons & Dragons, Das Schwarze Auge und anderen wieder ins Blickfeld der Gesellschaft.

Doch es muss gar nicht so nerdig oder anspruchsvoll wie Pen & Paper Systeme sein. Auch klassische Brettspiele erfreuen sich neuer Beliebtheit. Ob im Familienkreis, im Einzelhandel oder als Konzept um das sich Cafès aufbauen.
Diese klassischen Systeme sind natürlich eine Gegenreaktion auf den digitalen Trend. Zusammen an einem Tisch zu sitzen und gegen- oder miteinander zu spielen, bringt eine ganz andere emotionale Erfüllung, als das gleiche via Voice-Chat und Multiplayer Videospielen zu machen. Doch auch das Kauf- und Produkterlebnis spielen eine ganz entscheidende Rolle, die hier nicht verschwiegen werden darf.
Videospiele haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Gänzlich neue Titel findet man kaum noch in den jährlichen Lineups, viel eher die Iteration vergangener, erfolgreicher Titel, die zu Serien geworden sind. Für Publisher und Entwickler, die mittlerweile Summen in Videospiele stecken, die Hollywood-Budgets gleichkommen, sind dies weitaus sicherere Anlagen, mit denen auch besser gerechnet werden kann, was Umsätze und Gewinne angeht. Denn diverse Entwickler und Publisher fühlen sich unternehmensbedingt mehr ihren Shareholdern verpflichtet als ihren Kunden. So wird eine maximale Monetarisierung angestrebt.
Phänomene die dieser Monetarisierung entspringen, dem Ansehen von Videospielen aber schaden, sind beispielsweise Day-One Patches und Lootbox Systeme.
Um die engen Zeitpläne für jährliche Veröffentlichungen von Titeln einzuhalten, werden diverse Videospiele nur noch ansatzweise fertig entwickelt, aber mit diversen Bugs und Glitches auf den Markt gebracht. Diese Probleme werden dann in den Wochen nach Launch mit Patches und Updates behoben, die teilweise riesig im Download sind. Der Kunde bekommt aber das Gefühl, dass er ein unfertiges Produkt gekauft hat und wenn die nachgereichten Updates in der Qualität nicht stimmen, fühlt er sich auch noch um sein Geld betrogen.
Lootboxen hingegen sind ein ganz eigenes Thema. Ein Equivalent dazu gibt es zwar im Offline-Spielemarkt durch Systeme wie Magic: The Gathering, der Unterschied ist hierbei aber, dass die Spieler von Anfang an wissen, dass sie sich auf eine Art Glücksspielsystem einlassen.
Diesen Entwicklungen gegenüber steht mit Brettspielen ein Produkt, dass bereits zur Gänze entwickelt wurde und seinen Entertainment-Faktor genau so erfüllt, wie es angepriesen wird. Natürlich gibt es auch hier Erweiterungen die zusätzlich gekauft werden können, doch auch ohne diese ist das Spiel ein eigenständiges Produkt, das nicht an Unterhaltungswert verliert ( während Spieler bei Nichtkauf von digitalen Inhalten schonmal auf der Strecke bleiben können, weil sie bspw. im Multiplayer Modus eingeschränkt werden).
Zudem sind Brettspiele mittlerweile fast wieder alleinstehend, was die gemeinsame Unterhaltung vor Ort angeht. Videospiele setzen so gut wie nur noch auf Online-Multiplayer und haben sich von der Idee, nebeneinander auf der Couch zu sitzen und zu spielen verabschiedet. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, gerade bei Nintendos Switch, doch zum Großteil hat sich das kompetitive Spielen weg vom Stationären hin ins Internet verlagert. Wer heute noch eine Partie mit Freunden bei Wein oder Snacks spielen will, ist deutlich besser beraten eine kleine Brettspielsammlung anzulegen, um immer etwas spannendes parat zu haben.
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