Vor einer Woche saß ich bei einer Veranstaltung neben einem 83jährigen Herren, der in einer längeren Gesprächspause ein iPhone 6S aus seiner Jackentasche beförderte und darauf herum tippte. Interessiert fragte ich ihn, wie er zu seinem Smartphone gekommen war. Er erzählte mir daraufhin die schon klassische Geschichte, wie er bei seinem Sohn gesehen hatte, was man mit dem Ding alles machen kann. Bei Google recherchieren und Mails schreiben. Sein Interesse war geweckt. War jetzt die Marke wichtig? Apple als Freund der älteren Generation? Nein, ganz einfach: es sollte das gleiche Gerät sein wie das, was sein Sohn hat, damit er ihn im Notfall immer fragen kann, wie was funktioniert. Nix mit Markenbindung sondern ein pragmatischer Grund. Am Ende hakte ich einmal nach, ob er wüsste, was man noch alles mit einem Smartphone machen könnte. Seine Antwort war charmant verneinend.
Der ältere Herr ist ein gutes Beispiel für die noch bestehende Digitale Kluft zwischen den Generationen in Deutschland. In der Realität hat man sich daran gewöhnt, dass Oma und Opa kein Internet haben, aber wenn man dann auf dem Papier des D21-DIGITAL-INDEX liest, dass nur 36% der 70+jährigen das Internet nutzen, holt es einen schon auf den Boden der Tatsachen zurück. Und das sind noch 6% mehr im Vergleich zum letzten Jahr.
64% von ihnen besitzen noch ein Handy, aber kein Smartphone. Der digitale Wandel überrundet und überfordert unsere seniorigen Mitbürger. Und sicher ist die Verweigerung der modernen Technik zunehmend auch ein Statement („leg doch mal das Handy weg“).
Ein weiterer Grund zur Ablehnung könnte in der schnellen Entwicklung der neuen technologischen Medien liegen. Fast täglich werden neue Errungenschaften vorgestellt. Patches und Updates schwappen ununterbrochen über uns herein. Es ist eine Herausforderung für viele Menschen, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten.
Da muss man sich ständig schlau machen:
Die D21 Studie listet das autodidaktische Lernen im Bezug auf Wissensaneignung rund um neue Technologien bei Arbeitnehmern mit 78% auf Platz 1. Erst mit 38% werden Schulungen durch den Arbeitgeber angegeben.
Wenn bereits deutsche Arbeitnehmer, auf die die Digitalisierung direkte Auswirkungen hat, nur ungenügend in ihrer Weiterbildung betreut werden, so dass sie das „Trial & Error“ Prinzip bevorzugen müssen, kann man sich ein Bild davon machen, wie die Unterstützung von Senioren aussieht.
Diese haben oft in ihrem Berufsleben wenig Kontakt mit Computern gehabt, ein Gefühl der Vertrautheit mit dem Medium fehlt. Dazu kommt der Eindruck von der Technologie, den Berichterstattung aufbaut. In Zeiten von Hacking im großen Stil und Datenschutzdebatten wirkt das Internet nicht wie ein einladender Ort, an dem man sich einfach mal umschauen kann. Und wer versteht schon Tech-Sprech.
Deutschland ist mit seiner Digitalen Kluft zwischen den Generationen nicht allein. Das Problem ist ein Globales und wird nur vereinzelt aktiv angegangen. In Singapur gibt es seit einigen Jahren die Silver Infocomm Initiative.
Die Initiative bringt Senioren mit jungen „Cyberguides“ zusammen, die sie an die Nutzung neuer Medien und Hardware heranführen. Das fängt ganz simpel bei der Bedienung von Keyboard, Maus und Windows an und geht dann weiter zu Online Banking und dem Aufrufen von staatlichen Informationsportalen.
Dabei sollen in erster Linie zwei Ziele verfolgt werden: Den Senioren sollte zum einen gezeigt werden, wie Technologie ihr Leben bereichern kann, während sie gleichzeitig Kontakte zu jungen Menschen zu knüpfen.
Mittlerweile haben über 145 dieser Bootcamps stattgefunden, an denen mehrere tausend Senioren teilgenommen haben.
Auch in Deutschland gibt es Bemühungen der Spaltung entgegen zu wirken.
Namentlich hat sich in diesem Segment vor allem Levato hervorgetan, ehemals Starthilfe50. Das Startup, geführt von zwei Mitdreißigern, produziert Filme zur Nutzung von Hard- und Software, die optimal auf die Zielgruppe 65+ zugeschnitten sind. In langsamem und ruhigem Tonfall wird da durch die Funktionalität von Whatsapp geführt, wobei wirklich auf jedes kleinste Detail eingegangen wird. Das führt dann dazu, dass der Gesamtkurs „Wie funktioniert Whatsapp?“, 3 Stunden lang ist.
Die Bemühungen die digitale Kluft zu schließen wird nicht flächendeckend betrieben . Gegen Mitte des letzten Jahres bestätigten die Levato Betreiber, an die 6.000 zahlende Kunden zu haben. Für ein Vorankommen der Gesellschaft ist das noch viel zu wenig.
Es mag also schon vereinzelt sehr gute Erstversuche geben, doch fehlt allen der notwendige Rückenwind in Form einer unternehmerischen oder staatlichen Führung. Awareness muss geschaffen werden und gleichzeitig genug Manpower da sein um den nicht zu unterschätzenden Supportaufwand stemmen zu können, der notwendig ist.
Learning: Das Problem birgt eine große Chance. Die digitale Kluft ist ein gutes Thema für ein vermittelndes Marketing von Tech-Unternehmen. Neue Zielgruppen erreichen, an die Marke heranführen, binden. Im Sinne von: „Wir helfen den älteren Menschen!“ Das ist ein Auftrag, der gesamtgesellschaftlich begrüsst würde. Und wir wissen ja: Wenn man eine neue Technologie lernt, dann bleibt man dem, der sie vermittelt und der Lern-Hardware immer verbunden. (Sie Marke des Autos, die einen bei der Fahrschulprüfung nicht im Stich gelassen hat, wird häufig später wieder gekauft.) Marketing 2.0: Gutes Tun, neue Zielgruppen erreichen, Bindungen schaffen.
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