Vor fast zehn Jahren waren es die Hipster, die sich mit obskuren Funden in den Secondhand-Läden dieser Welt ein ganz eigenes Modebild gebaut haben und dafür belächelt wurden. Doch in Zeiten starker Überproduktion, sinkender Absätze und dem immer lauter werdenden Herbeirufen des Post-Konsumismus findet vor allem der Handel mit Secondhand wieder Aufwind. Sowohl im öffentlichen Gespräch als auch durch digitale Lösungen.
Megatrends: Neo-Ökologie (Social Businesses & Circular Economy)
Im Juni 2019 wurde bekannt gegeben, dass der Online-Marktplatz Offerup in einigen US-amerikanischen Regionen das Sortiment lokaler Goodwill Läden aufnehmen wird. Offerup ist ein Wettbewerber und Hybrid von Ebay und der Kleinanzeigenversion, setzt dabei aber auf einen größeren Community Gedanken. Dazu gehört auch der persönliche Austausch der gekauften Ware. Um hier neues Vertrauen zu schaffen, ist Offerup eine Partnerschaft mit diversen lokalen Polizeistationen eingegangen und hat in deren direkter Nähe, dass eine Art Überwachung gegeben ist, mit Schildern markierte „Sichere Treffpunkte“ eingerichtet. Dieses Engagement für die eigene Community setzt das Unternehmen von dem eher gesichtslosen Ebay ab.
Möglich wird die Partnerschaft von Offerup und Goodwill durch eine neue Softwarelösung mit der jeder lokale Goodwill sein Inventar tagesaktuell in die Website einspeisen kann.
So erweitert sich auf der einen Seite das Fashion-Sortiment von Offerup um ein Vielfaches, auf der anderen kann Goodwill von der erweiterten Community profitieren, die durch die Plattform das Sortiment der einzelnen Läden erschließen kann. So wird der einstmals rein stationäre Händler auch digitalisiert, die einzelnen Läden müssen Online-Bestellungen nur noch selbst verpacken und abschicken, den Rest erledigt die Plattform.
Secondhand wird nicht nur stetig digitalisiert, sondern gewinnt nach und nach mehr Attraktivität durch Celebrity Testimonials. Die US-amerikanische Schauspielerin Olivia Wilde setzt sich beispielsweise nicht nur für chemiefreiere Kosmetik ein, sondern hat zusammen mit der Secondhand-Plattform ThredUp im Frühjahr 2019 auch eine eigene Kollektion veröffentlicht. Für diese Kollektion wurden einfarbige Secondhand T-Shirts mit verschiedenen limitierten Drucken versehen und dann verkauft. Diese neue Alternative zum Upcycling ist bisher wenig verbreitet, könnte aber in Zukunft an Popularität gewinnen.
Die Entwicklungen, die wir im Bereich Secondhand sehen, lassen sich im Bereich Neo-Ökologie verorten. Hier entstehen neue Social Businesses, Geschäfte, deren „Ziel die Maximierung des sozialen und ökologischen Nutzens ist“ (Zukunftsinstitut https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/mtglossar/neo-oekologie-glossar/). Unter dem Gesichtspunkt der Neo-Ökologie, haben alle Teilnehmer Interesse an einer Circular Economy, was bedeutet, dass Rohstoffströme nicht zu Einbahnstraßen, sondern zu Kreisläufen werden. So wird in der Circular Economy auch erwartet, dass Abfall selbst wieder zur Ressource wird.
Wer jetzt denkt, dass diese Entwicklung auf die Staaten beschränkt ist, kann ruhig auch in Deutschland die Augen offenhalten. Momox, ein 2006 in Berlin gegründetes Re-commerce Unternehmen kauft unter dem gleichen Namen Artikel aller Art an und verkauft unter den Namen Medimops und Ubup Bücher, CDs, Filme, Spiele und Kleidung. Der Umsatz des Unternehmens belief sich 2018 auf 200 Mio. €.
Zusammenfassung: Secondhand ist mehr in denn je und wird in den kommenden Jahren noch enorm an Bedeutung gewinnen. Unternehmen, die sich jetzt eine Gebrauchtwarenstrategie überlegen, können sich schon frühzeitig positionieren. Dabei sollte man sich nicht von den klassischen Secondhand-Kategorien abschrecken lassen. Selbst die Bucherer Gruppe, ein Schmuck- und Uhrenkonzern, hat unter dem Namen der gekauften Tochter Tourneau ein „certified pre-owned“ Programm aufgesetzt, weil die Nachfrage an gebrauchten Uhren weltweit so hoch ist.
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